„Menschen fühlen sich definitiv nicht willkommen in unserer Stadt“
Statement zur aktuellen Debatte um die Ausländerbehörde
Die aktuelle Situation in der Ausländerbehörde ist der weltoffenen Stadt Stuttgart nicht würdig. Viel zu lang wurden die mittlerweile dramatischen Zustände von Oberbürgermeister Dr. Nopper und dem zuständigen Bürgermeister Dr. Maier kleingeredet. Die Verwaltungsspitze hat zugeschaut, wie sich die Zustände in der Behörde immer weiter zuspitzen – auch auf dem Rücken der Mitarbeitenden. Vorschläge zur Verbesserung der Situation wurden vielfach ignoriert und nicht umgesetzt.
„Wir müssen endlich begreifen: Die Situation bei der Ausländerbehörde ist kein Minderheitenproblem. Und einer internationalen Stadt wie Stuttgart nicht würdig“, so Petra Rühle, Vorsitzende der GRÜNEN Fraktion im Stuttgarter Rathaus. „Denn bei den Menschen, die hier verzweifelt auf einen Termin warten, geht es nicht um einen verpassten Urlaub oder eine Parkgenehmigung, sondern um die nackte Existenz.“
Unbesetzte Stellen, hoher Krankenstand
Ein Drittel unbesetzte Stellen, hoher Krankenstand, schlecht ausgestattete Arbeitsplätze, aber auch bundesgesetzliche Regelungen und ein unfassbar kompliziertes Ausländerrecht sorgen abermals für lange Schlangen, verzweifelte Menschen sowie völlig überlastete Mitarbeitende im Amt. „Dass die Task Force erst vor einem Jahr – im August 2022 – nach unserem interfraktionellen Antrag eingesetzt wurde, war viel zu spät“, kritisiert der Fraktionsvorsitzende Björn Peterhoff. „Davon abgesehen lassen die bisherigen Ergebnisse Luft nach oben.“
Menschen werden allein gelassen
Zwar wurden Maßnahmen wie der Ausbau der IT-Betreuung, mehr Sicherheitspersonal oder eine bessere IT-Ausstattung ergriffen, doch lässt eine Online-Terminvergabe noch immer auf sich warten. Auch die telefonische Erreichbarkeit und Mailbeantwortung sind nicht gegeben und die räumliche Situation ist unhaltbar. Vor allem aber fehlt es an Kommunikation: „Weder online, geschweige denn vor Ort, bekommen die Menschen die Informationen, die sie brauchen, Mehrsprachigkeit Fehlanzeige. So werden die Menschen mit ihren Existenzängsten allein gelassen“, sagt Björn Peterhoff. „Und obwohl es Möglichkeiten geben würde, zumindest die Wartesituation zu verbessern, ist selbst das Problem noch immer nicht angegangen.“
Dazu Petra Rühle: „Im Gegenteil, Menschen, teilweise in hohem Alter oder mit kleinen Kindern, werden gezwungen, über Stunden hinweg vor dem Amt auf der Straße auszuharren, in der Hoffnung, Einlass zu bekommen. Ohne Information, ohne einen Sitzplatz, Wind und Wetter ausgesetzt. Eingelassen wird nur, wer schriftlich einen Termin bekommen hat oder sieben Tage bevor das Visum oder die Aufenthaltserlaubnis abläuft.“
Personalproblem ungelöst
Die Fraktionsvorsitzende stellt klar: „Das sind untragbare Zustände – für die Menschen, die aufgrund existenzieller Ängste verzweifelt auf einen Termin hoffen, aber genauso auch für die Mitarbeitenden in der Behörde, die unter der Arbeitslast und dem Druck verzweifeln und sich alleingelassen fühlen.“ Denn das Hauptproblem ist immer noch nicht gelöst: Es fehlt Personal. Aufgrund der komplexen Rechtsmaterie beim Ausländerrecht ist zudem die Einarbeitungszeit lang. Ein Problem, das nicht kurzfristig zu lösen ist.
Weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung
„Es ist daher richtig und dringend notwendig, dass nun vorübergehend intern Personal in die Ausländerbehörde versetzt wird, um diese personell zu unterstützen“, sagt Björn Peterhoff. Und weiter: „Es braucht auch weniger Bürokratie, mehr Digitalisierung, Information, Transparenz und eine Beschleunigung der Verfahren, damit der Wirtschaftsstandort Stuttgart die dringend benötigten Fachkräfte bekommt, die heute fehlen. Und damit sich in der Ausländerbehörde die Arbeit nicht mehr staut und Aufenthaltserlaubnisse verlängert werden.“
Dank an gesamtes Personal
„Trotz aller Kritik: Wir sehen, dass es bei der Abarbeitung der Fallzahlen Fortschritte gibt“, sagt Björn Peterhoff. Außerdem konnte in den vergangenen Monaten mehr Personal gewonnen und gehalten werden. Und das, obwohl die Mitarbeitenden sehr unter der aktuellen Situation in der Ausländerbehörde leiden. „Unser Dank gilt daher dem gesamten Personal für seinen Einsatz“, so der Fraktionsvorsitzende.
Weitere Maßnahmen erforderlich
Doch um den Betrieb in der Ausländerbehörde wirklich zu stabilisieren und langfristig zu verbessern, sind zahlreiche weitere Maßnahmen erforderlich. So braucht es kurzfristige Maßnahmen wie einen Wartebereich im Amt mit Sitzmöglichkeiten, Lotsen, die den Wartenden Hilfestellung bieten sowie eine umfassende, mehrsprachige Informations- und Kommunikationskampagne.
Kooperationen ausbauen
Zudem braucht es eine enge Zusammenarbeit mit Hochschulen, Kammern und auch dem Welcome Center, die unterstützen können, was das Zusammenstellen der erforderlichen Dokumente und eine angemessene Information der Betroffenen angeht.
Positiv ist hier, dass die Handwerkskammer (HWK) und die Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart gemeinsam mit der Stadt eine Kooperationsvereinbarung getroffen haben, um die Ausländerbehörde, ausländische Fachkräfte und damit auch die Arbeitgeber*innen zu unterstützen und Verfahren zu beschleunigen.
„So darf man mit Menschen nicht umgehen“
„Das ist der richtige Weg. Und nicht der Vorschlag von Oberbürgermeister Dr. Nopper, Geflüchtete zu gemeinnütziger Arbeit zu verpflichten. Denn nicht das Nicht-Wollen, sondern das Nicht-Können ist das Problem“, so Rühle. „Hochschulen, Kliniken, Unternehmen verzweifeln, weil die händeringend gesuchten Fachkräfte nicht ihren Aufenthaltstitel oder ihre Arbeitserlaubnis erhalten. Menschen verzweifeln, weil sie eine Abschiebung befürchten, ihre Arbeit oder Wohnung verlieren könnten. Sie fühlen vieles, nur sich definitiv nicht willkommen in unserer Stadt. So darf man mit Menschen nicht umgehen.“
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