Stuttgart 21: Verkehrswende mitdenken

23. Januar 20182 Minuten Lesezeit
Foto: commons.wikimedia.org/by-Ra_Boe

Explodierende Kosten, immer spätere Fertigstellungstermine: Die von den S21-Kritikern gehegten schlimmsten Befürchtungen sind eingetreten. Morgen will der Aufsichtsrat der Bahn über mögliche Änderungen entscheiden, nachdem er darüber informiert wurde, dass sich die Fertigstellung von Ende 2021 auf Ende 2024 verschiebt und dass sich die Kosten von 6,5 auf 7,6 Mrd. Euro erhöhen. Damit wurde die Kostenprognose der 2008 für die Grüne Fraktion tätigen Gutachter Vieregg und Rössler übertroffen, ebenso wie die von der Bahn selbst genannte Grenze der Wirtschaftlichkeit bei 6,8 Mrd. Euro.
Für uns ist es ein Gebot der politischen Vernunft, bei diesem Projekt, dessen Planungen bis in die frühen 1990er Jahre zurückreichen, auf mögliche Erweiterungen und Verbesserungen zu achten. Feinstaub, Stickoxidbelastung, Verkehrswende standen damals noch nicht im Fokus. Zudem wurden wegen S21 Investitionen in die bestehende Bahn-Infrastruktur über Jahrzehnte vernachlässigt. Störfälle sind heute die Regel, ganz erheblich bei der S-Bahn, die das Rückgrat des ÖPNV in der Region bildet. Besonders in den Morgenstunden sind die Bahnen restlos überfüllt – auf allen Linien. Neuralgischer Punkt ist die Stammstrecke zwischen dem Hauptbahnhof und der Schwabstraße. Wenn hier ein Störfall eintritt, wird das gesamte S-Bahn-Netz um Stuttgart in Mitleidenschaft gezogen. Alle sechs Linien müssen da durch und selbst mit ECTS wird sich die Kapazität nicht erheblich steigern lassen.
Bisher können S-Bahn-Züge bei Störungen auf oberirdische Bahngleise im Hauptbahnhof ausweichen. Das geschah im letzten Jahr an rund 100 Tagen. Mit der Räumung der Gleisflächen durch S21 fällt diese Möglichkeit weg.
Derzeitige Planungen sehen dann vor, in Notfällen Bahnen an den Nordbahnhof bzw. an die zu schaffende Haltestelle Mittnachtstraße zu führen und die Passagiere dort auf Stadtbahnen der Linie U12 umsteigen zu lassen. Ein nicht befriedigendes Szenario.
Daher haben wir angeregt, sorgfältig prüfen zu lassen, ob sich die Kapazität steigern und Notfälle besser handeln lassen, wenn S-Bahn-Linien unterirdisch bis zum Hauptbahnhof geführt werden, wobei die städtebauliche Entwicklung auf den frei werdenden Gleisflächen nicht negativ beeinträchtigt werden darf. Diese Prüfung erfolgt und wird in wenigen Wochen im Ausschuss vorgestellt.