CDU, Freie Wähler und FDP rufen zur Demo auf

28. Januar 20194 Minuten Lesezeit

Dass CDU und FF (Freie Wähler und FDP) nun die Grenzwerte in Frage stellen und die Fahrverbote als unverhältnismäßig einstufen, zeugt von einer rückwärtsgewandten Politik. Jahrelang haben die Parteien den Kopf in den Sand gesteckt, Betrügereien der Automobilindustrie akzeptiert und die Gesetze nicht ernst genommen. Dass jetzt die CDU auch noch gegen Beschlüsse der Landesregierung, an der sie beteiligt ist, am 9. Februar auf die Straße gehen will, ist mehr als befremdlich.
Die europaweit geltenden Grenzwerte für Feinstaub und Stickstoffdioxid basieren auf soliden wissenschaftlichen Erkenntnissen. Das hat EU-Umweltkommissar Karmenu Vella mit Blick auf die aktuelle Debatte in Deutschland am vergangenen Mittwoch nochmals eindringlich bekräftigt. Das Europäische Parlament und die EU-Staaten hatten die EU-Richtlinie zur Luftqualität im Jahr 2008 verabschiedet. Die darin festgeschriebenen Grenzwerte fußen auf den Erkenntnissen der Weltgesundheitsorganisation und weiterer wissenschaftlicher Studien. Die notwendige Umsetzung der Richtlinie in nationales Recht ist in Deutschland durch eine Anpassung des Bundesimmissionsschutzgesetzes und den Erlass einer neuen Rechtsverordnung (39. BImSchV) erfolgt. Demnach gelten für NO2 seit 2010 die jetzigen Grenzwerte.
Stuttgart ist eine von vielen Städten in Deutschland, die von Grenzwertüberschreitungen bei Stickoxid massiv betroffen ist. Das Bundesverwaltungsgericht hatte sich eindeutig für den Gesundheitsschutz der Bürgerinnen und Bürger, die in Stuttgart leben und arbeiten, ausgesprochen. Das war die Konsequenz einer Politik voller Versäumnisse der Bundesregierung und der Automobilindustrie.
Selbst nach der Diesel-Affäre vor mehr als drei Jahren haben sich die Automobilindustrie und die Bundesregierung weiterhin weggeduckt und es versäumt, mit eindeutigen Schritten wie der Nachrüstung von Fahrzeugen und Regelungen wie der Blauen Plakette wirksame Maßnahmen zu ergreifen. Das Gerichtsurteil fiel somit nicht vom Himmel und ist ein Armutszeugnis für all diejenigen gewesen, die sich wirksamen Maßnahmen bis heute verwehren.
Bei der Umsetzung des Gerichtsurteils wird die Verhältnismäßigkeit gewahrt und es gibt Ausnahmeregelungen wie z.B. für Handwerker oder Lieferverkehre. Einzelstrecken zu sperren würde die Luftbelastung nicht in diesem Maß senken, es würden Schleichverkehre entstehen und vollkommen außer Acht lassen, dass auch äußere Stadtbezirke wie z.B. Bad Cannstatt, Feuerbach, Zuffenhausen u.v.m. massiv unter Verkehr und Luftschadstoffen leiden.
Im Rat der Landeshauptstadt Stuttgart lehnten die Fraktionen CDU, Freie Wähler und die Gruppe der FDP wirksame Maßnahmen aus dem Luftreinhalteplan ab wie Temporeduzierung, Nahverkehrsabgabe, Busspuren und Zuflussdosierungen ab. Sie tragen damit maßgeblich Verantwortung für die Fahrverbote.
Die Bundesregierung hat die Städte trotz des Urteils allein gelassen. Sie hat nicht die Voraussetzungen für die Einführung der blauen Plakette geschaffen, um die Fahrverbote handhabbar zu machen und hat zugeschaut, wie ein Flickenteppich von lokalen Einzelregelungen entsteht.
Aber vor allem hat die Regierung versäumt, Druck auf die Automobilindustrie auszuüben, damit diese die technische Nachrüstung für die betroffenen Dieselfahrzeuge liefert und auf ihre Kosten den Kunden zur Verfügung stellt. Dass eine umfassende Nachrüstung von Dieselfahrzeugen wirksam und vertretbar ist, haben Studien, nicht zuletzt die des ADAC bewiesen.
„Anstatt selbst gegen Dieselfahrverbote auf die Straße zu gehen, sollte die CDU ihre Möglichkeiten nutzen bei der Regierung Druck machen und umsetzbare Nachrüstungen einzufordern. Nur so können endlich Lösungen für die Betroffenen gefunden werden“, so Björn Peterhoff, verkehrspolitischer Sprecher der Grünen Gemeinderatsfraktion.
Andreas Winter, Fraktionsvorsitzender der Grünen im Gemeinderat: „Die Diskussion um die seit langer Zeit bestehender Grenzwerte zeigt die Rückwärtsgewandtheit der handelnden Akteure. Nicht nur der Gesundheitsschutz der Bürger*innen dieser Stadt soll auf die lange Bank geschoben werden, auch die notwendige Modernisierung der Automobilwirtschaft wird behindert anstatt uns gut aufzustellen für eine emissionsfreie Mobilität der Zukunft in lebenswerten Großstädten.“