Wagenhallen & Container City
96 Ateliers, 142 Künstler*innen und Kreative und eine Veranstaltungshalle: So könnte man die Wagenhallen im Stuttgarter Norden in Kürze beschreiben. Dass die Wagenhallen und die angrenzende Container City viel mehr sind als ein Ort, wo Kunst und Partys stattfinden, sondern ein Experimentierfeld mit besonderem Esprit, erfuhren rund 60 Teilnehmer*innen bei der GRÜNEN Tour am 7. September durch das Kulturschutzgebiet.
Wagenhallen
Wer sich heute auf dem Gelände der Wagenhallen mit seiner besonderen Ausstrahlung und seinem kreativen Geist bewegt, kann sich kaum vorstellen, dass dieser Kulturschatz mitten in Stuttgart 2003 abgerissen werden sollte. Dank der Initiative von Lokalpolitiker*innen, Künstler*innen und Architekt*innen konnte dies verhindert und das Gebäude für kulturelle Zwecke sowie als Lager und Werkstätten an den Kulturbetrieb Wagenhallen GmbH & Co. KG verpachtet werden.
„Nach zähem Ringen – und auch dank dem Einsatz der damaligen GRÜNEN Fraktion –beschloss eine knappe Mehrheit im Gemeinderat Stuttgart im Juni 2015, die Veranstaltungsstätte und künstlerische Produktionsstätte Wagenhallen zu sanieren und umzubauen, um den dort arbeitenden Künstler*innen und Kulturschaffenden eine langfristige und dauerhafte Perspektive zu geben“, erinnert sich Stadtrat Andreas Winter, der den Erhalt und die Sanierung des Kulturgebietes immer unterstützte.
„Heute beherbergen die ehemalige Wageninstandsetzungshalle und die dazugehörigen Gebäude unsere Ateliers, Studios, Werkstätten und Lagerräume. Hier entsteht Malerei, Musik, Fotografie, Architektur, Baubotanik, Theater, Puppenbau, Figurentheater, Performance, Installation, Kuration, Design, Grafik- und Webdesign, Kunsthandwerk sowie Film und Medienkunst“, so Robin Bischoff, Vorsitzender des Kunstvereins Wagenhallen, und freut sich, dass „durch diese Vielfältigkeit generationsübergreifende und interdisziplinäre Projekte entstehen können.“
Gemeinsam mit Sylvia Winkler, Stellvertretende Vorsitzende des Kunstvereines, führte er die GRÜNEN Tourgäste über den rund 9.500 Quadratmeter großen Atelier‐ und Werkstattbereich. Dabei weihte Bischoff die Teilnehmenden in die Entstehungsgeschichte (mehr dazu unter www.kunstverein-wagenhalle.de) der Wagenhallen ein und sprach aktuelle Probleme an. Beispielsweise die fehlende Lüftung einiger Ateliers, welche es besonders im Sommer schwermachte zu arbeiten.
Dundus und Baubotanik
Dann ging es vorbei an beeindruckenden Dundus – leuchtende Großpuppen mit fast fünf Metern Höhe – und durch unterschiedliche Werkstätten Stuttgarter Kulturschaffender. Dabei gab’s Einblicke in die Baubotanik (bezeichnet eine Mischkonstruktion auslebenden Pflanzen und herkömmlichen Bauteilen; siehe www.bureau-baubotanik.de) oder in Fassadenkunst im Öffentlichen Raum und die Entstehung des Pfffestival, das vom Studio Vierkant initiiert und organisiert wurde (www.studiovierkant.de).
Zudem gab’s Infos, wie sich das Gelände rund um die Wagenhallen im Zuge der Bauarbeiten für die Interimsoper und des Rosensteinviertels verändern wird. „Wir machen uns dafür stark, dass die Wagenhallen zum kulturellen Anker des neuen Quartiers Stuttgart Rosenstein werden“, betonte Andreas Winter. Und weiter: „Mit der Interimsoper in der Nähe könnte ihre Strahlkraft über die Region Stuttgart hinaus noch weiterwachsen.“
Container City
Als die Wagenhallen ab Anfang 2017 für über dreieinhalb Jahre saniert wurden, diente die Container City als Ausweichquartier für die Ateliers und Produktionsstätten während der Sanierungs- und Umbaumaßnahmen. Diese entwickelte sich in den vergangenen Jahren zu einem kreativen und lebendigen Ort für innovative Kultur in Stuttgart mit zahlreichen Kunstprojekten und Veranstaltungen. Über 100 Container, zwei Waggons und andere temporäre Architekturen werden heute als Ateliers, Proberäume und Büros genutzt.
Seit 1999 besteht das Projekt Bauzug 3YG in ausrangierten Eisenbahnwaggons und einem dazugehörigen Haus am Nordbahnhof und ist über die Jahre zu einem wichtigen Bestandteil der Stuttgarter Kunst- und Subkulturszene geworden. 2021 standen die Waggons fast vor dem Aus: Die angestammte Fläche muss für das neue Rosensteinareal freigeräumt werden. Früh haben wir GRÜNE zwischen Stadtverwaltung und Künstler*innen vermittelt. Aufgrund des Drucks aus dem Gemeinderat konnte eine neue Fläche gefunden werden, die nur 500 Meter entfernt liegt. „Rückenwind gab es durch den Bezirksbeirat Nord und den Bürgerhaushalt, wo der ‚Erhalt der Waggons am Nordbahnhof‘ auf dem ersten Platz landete. Nicht zuletzt deshalb haben wir uns mit einer Einmalförderung in Höhe von 970.000 Euro durchgesetzt und 1,5 Stellen zur Bewältigung des Umzugs finanziert“, so Stadtrat Marcel Roth, der sich seit Jahren für das Kulturschutzgebiet stark macht.
Und Roth weiter: „Langfristiges Ziel ist es, dass die Kulturvereine am Nordbahnhof 2027 anlässlich der Internationalen Bauaustellung 2027, IBA27, in der sogenannten MakerCity neben den Wagenhallen unterkommen. Dort sollen sie Ausgangspunkt für ein neues, kreatives, alternatives Stadtquartier werden. Dazu zählt auch Contain’t, ein Verein, der aus elektronischen Newcomer DJs, Künstler*innen und politischen Referent*innen ein hochwertiges Kulturprogramm zusammenstellt, das bereits im vergangenen Haushalt unterstütz haben. Für den Umzug an einen Interimsort, der noch nicht feststeht, haben wir 604.000 Euro aus der Rücklage „Kulturelle Infrastruktur“ reserviert. Geprüft werden immer noch Flächen rund um den Wasen.“
Nordiy
Besonderes Highlight, weil verborgen und weniger Stuttgarter*innen bekannt: der NORDIY. Ein DIY-Skatepark (DIY: Do it yourself) im Umfeld der Wagenhallen, der seit etwa zwei Jahren viele junge Leute anlockt. Die Skateszene hat diesen Skatepark unter großem Aufwand in Eigenarbeit gebaut und selbst finanziert. Entstanden ist der Selfmade-Skatepark aber auch, weil das Angebot an Open-Air-Skateflächen in unserer Stadt zu knapp ist.
Der Skatepark befindet sich auf dem Quartier C1 des künftigen Rosenstein-Areals. In diesem Teilgebiet entsteht die sogenannte Maker City. Deshalb muss der Skatepark – Stand heute – bis zum Herbst 2024 abgerissen werden. Damit fällt ein Ort der Stadtkultur weg, der in den letzten zwei Jahren nicht nur Hotspot für die Skater-Szene war, sondern auch ein Stück Alternativkultur. „Wir GRÜNE wollen für den DIY-Skatepark NORDIY eine Perspektive. Deshalb haben wir die Verwaltung in einem Antrag aufgefordert, für die Skater*innen alternative Plätze in näherer Umgebung in Stuttgart-Nord aufzuzeigen“, so Stadtrat Roth.
Wagenhallen – Veranstaltungen im Kulturschutzgebiet
Zwei Drittel der Wagenhallen sind kulturell genutzt, ein Drittel steht für öffentliche, aber auch private Veranstaltungen zur Verfügung. Neben Konzerten oder Nachtflohmärkten finden dort auch Firmenfeiern oder Hochzeiten statt. „Das Miteinander aus Kleingewerbe und Kunstbetrieb funktioniert super und ist eine einzigartige und kostbare Mischung für Stuttgart“, sagt Geschäftsführer Stefan Mellmann.
Der Abschluss der GRÜNEN Tour fand dann auch im kleinen Raum der Wagenhallen statt und mit einer zauberhaften Showeinlage von Fabian Seewald, der Jonglage mit Storytelling verbindet und mit Dundus Teamwork in Unternehmen bringt (mehr dazu: www.dundu-teambuilding.eu).
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