Ohne Blau kein Grün

20. Oktober 20215 Minuten Lesezeit

Kurzes Brainstorming zu Klima, Natur und Wasser in der Stadt: Trinkwasser, Schwamm-
stadt, Bäche, Trinkbrunnen, Baumgesundheit, Siedlungswasserhaushalt, Hitzeinseln,
Starkregen, Überflutung, Trockenheit, Dürre, Lebensmittelanbau, Abwasser, Renaturierung, …

… Trinkwasser: l Wasser ist das wichtigste Lebensmittel für alles Leben auf der Erde. Wir sind es seit der Einführung der Landes- und Bodenseewasserversorgung gewohnt, Trinkwasser höchster Qualität in unsere Netze und Wasserleitungen eingespeist zu bekommen. Die Pionierarbeit der Infrastrukturplaner*innen vor über 50 Jahren – Stichwort „Albstollen“ – ermöglicht es uns Städter*innen seitdem, zu jeder Tages- und Nachtzeit Wasser bezahlbar in Hülle und Fülle zur Verfügung zu haben. Stuttgart lebt vom Bodensee und vom Donauried. Ein unermesslicher Wert für die Gesundheit und Hygiene, für die Produktivität in den Fabriken und Betrieben. In klimatisch weniger begünstigten Regionen dieser Erde müssen Menschen ein rationiertes Wasservorkommen kilometerweit in Eimern schleppen. Wir leben hier also im Wasserluxus.

Im Verwaltungsrat der Landeswasserversorgung, dem ich angehören darf, wird regelmäßig zum Stand der Wasserversorgung berichtet. Deren Technischer Leiter, Prof.
Dr. Frieder Haakh, stellt seit einigen Jahren dar, wie der Wasserverbrauch steigt, jedoch
die Grundwasserneubildung drastisch rückläufig ist. Deshalb freue ich mich tat-
sächlich sehr, wenn es bei uns regnet. Unser Bild im Kopf bezüglich der Verfügbar-
keit von Wasser ist ein anderes als das, was sich in den Tabellen und vor allem in den
Prognosen zur künftigen Wasserversorgung in Bezug auf die stetig ansteigende Klima-
erwärmung spiegelt. Die Wasserversorgungsunternehmen tun heute schon alles, damit wir auch noch in 20, 30 Jahren in Stuttgart genügend Trinkwasser haben. Aber es wird aufwendiger, es zu generieren und aufzubereiten.
Sprich: Es wird auch teurer werden.

… Grauwasser: l Wir brauchen also Konzepte, mit Trinkwasser im Hinblick auf den Klimawandel sparsamer umzugehen! Die Nutzung von Grauwasser ist vor allem
bei Neubauten, in öffentlichen Gebäuden, bei grundlegenden Sanierungen und bei
der Bewässerung öffentlicher Anlagen möglich und deutlich erweiterbar. Ein bis-
her völlig unterbelichtetes Thema. Benötigt wird ein langfristig ausgerichtetes strategisches Grauwassermanagement einschließlich Speicherung, Verteilung und Gebäudemanagement mit dem Ziel, mindestens zehn Prozent des Trinkwasserbedarfs bis
2040 durch Regenwassernutzungen innerhalb des Stadtgebietes zu ersetzen. Dabei
muss natürlich die strikte Trennung des Grauwassers vom Trinkwasser die hohe
Trinkwasserqualität sichern. Was können wir selbst tun? Zum Beispiel als ersten
Schritt Regenfässer und Zisternen für den Garten aufstellen, ja bitte.

… Trinkbrunnen: l Durst zu löschen soll und darf in der Stadt keinen Konsumzwang
auslösen; wir wollen noch viel mehr Trinkbrunnen in der Stadt. Auf allen großen
Plätzen in allen Stadtteilen Stuttgarts.

… Stadtbäume: l Zu wenig Wasser, zu trocken, zu heiß. Niederschlagsfreie Zeitperioden
und hohe Temperaturen führen zu einem Defizit an für Pflanzen verfügbarem Wasser im Boden. Wie schaffen wir es trotzdem, bestehende Straßenbäume auch im zukünftig noch unwirtlicheren Stadtklima gesund zu erhalten und in ihrem Wachstum zu fördern? Und junge Bäume groß werden zu lassen?

Wir werden zur Bekämpfung des Klimawandels noch viel, viel mehr Bäume brauchen.
Wir haben mit unserem Haushaltsantrag 2020/21 erreicht, mehr Gießwägen für die Stadt zu bekommen, um dem Durst der Straßenbäume kurzfristig zu begegnen. Auch soll für das Gießen per Tankwagen nicht mehr Trinkwasser, sondern Grauwasser verwendet werden. Nur: Immer noch mehr Gießwägen durch die Stadt fahren zu lassen, ist nicht unser strategisches Ziel. Hier könnte wesentlich effektiver das sogenannte „Schwammstadtprinzip“ die Lösung sein: Die Schwammstadt oder „Sponge-City“ ist ein Konzept der Stadtplanung, anfallendes Regenwasser lokal aufzunehmen und zu speichern, statt es nur zu kanalisieren und abzuleiten. Die Folge: weniger Überflutungen bei Starkregen, besseres Stadtklima, gesündere Stadtbäume. Dieses Prinzip muss von An-
fang an bei Straßensanierungen und Neupflanzungen von Bäumen mitgedacht werden.

Im nächsten STADTBLATT folgt die Fortsetzung zum Themenkomplex Klima / Wasser – dann mehr zu Regenwassermanagement und Überflutungssicherheit, zu Hitzeinseln und Kühlung durch Verdunstung.

Gabriele Munk

Grafik: Daten: Zweckverband Landeswasserversorgung und DWD-Wetterstation Stuttgart Schnarrenber
Foto: ronymichaud/pixabay.com